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Ich schlafe wieder
einmal schlecht. Mir zieht es durch die Fenster auf den Kopf. Die Abdichtung
(welche Abdichtung?) ist auf alle Fälle nicht sonderlich gut. Der Wecker steht
auf 5:30 - kurz vorher bin ich wach. Verwundert schaue ich auf meinen
Höhenmesser - er zeigt -6°C an. Meinen Schlafsack hatte ich nicht komplett zu,
das Inlet scheint sich auszuzahlen. Ich steige in die eisigen Klamotten und die
gefühlt noch kälteren Bergschuhe. Zum ersten Mal überhaupt habe ich jedoch
Probleme, meine Kontaktlinsen an zu ziehen. Die Tageslinsen sind angefroren...
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Der Morgen beginnt - das Wetter könnte nicht
schöner sein |
Meine Füße sind eiskalt, so dass ich
mir beim Frühstück die Sigg Flaschen mit heißem Wasser in die Schuhe stelle.
Schon besser.
Das Frühstück (Müsli, Ei, Toast) ist
angemessen für die Höhe. Mehr auch nicht. Um 6:45 brechen wir bei Eiseskälte
auf. Einen Vorteil hat die Kälte - die Luft ist extrem klar und keine Wolke ist
am Himmel. Ein Traumtag, wie gemalt für den Aufstieg auf den Gokyo Ri.
Wir überqueren einen kleinen Bach und erreichen den zum Gipfel leitenden
Bergrücken. Dieser führt uns von uns an immer steil bergauf in Richtung des
nicht sichtbaren Zieles. |
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Bestes Bergwetter - aber saukalt |
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Beim Aufstieg durch den Neuschnee |
Blick zurück auf Gokyo |
Trotz der Höhe und der frühen Uhrzeit ist die
Sonneneinstrahlung nicht zu unterschätzen. Schnell wird mir warm, so dass ich
innerhalb weniger Minuten meine Handschuhe und meine Sturmhaube im Rucksack
verstaue. Der Weg ist aufgrund des Neuschnees und
der Sonneneinstrahlung sehr rutschig, so dass ich entsprechend vorsichtig gehen
muss. Auch mache ich mir kurz Gedanken, ob wir hinsichtlich Lawinen aufpassen
müssen. "Unsere Guides werden ja schon wissen, ob das gefährlich ist" denke ich
mir ... Eine Amerikanerin überholt uns im Eiltempo -
wenig später sitzt sie ausgepowert auf einem Stein und macht eine Pause. Auf dem
Gipfel haben wir sie später nicht mehr gesehen... |
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5000 m sind bereits nach einer Stunde erreicht |
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Wir gehen sehr langsam und machen viele Pausen.
Andere Gruppen überholen uns, die ersten kommen sogar vom Gipfel wieder zurück.
Um 7:46 erreichen wir die 5000 m Marke. Ich war zwar schon am Kilimanjaro und
auf der Annapurna Runde auf dieser Höhe, dennoch ist das eine symbolische Marke,
auf die ich sehr stolz bin. Ich genieße jeden
Schritt bei diesem Aufstieg. Ich fühle mich richtig gut, das Wetter könnte nicht
besser sein und die Aussicht stellt alles in den Schatten, was ich bisher
gesehen habe. Den anderen aus der Gruppe geht es auch gut, so dass wir fast
geschlossen zum Gipfel steigen. Irgendwann kommt der
Everest zum ersten Mal hinter der ersten Bergkette hervor, später auch die
anderen 8000er in der Umgebung. Die berühmte
Schneefahne am Everest ist auch heute wieder vorhanden.
Der Aufstieg ist anstrengend. Teilweise stapfen wir durch hüfthohen Schnee. In
den zahlreichen Pausen mache ich Bilder (vieeele Bilder...), genieße die
Aussicht oder sitze einfach nur auf meinen Stöcken und schnaufe durch. |
Es geht steil bergauf |
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Pause |
Der Everest ragt hinter der nächsten Bergkette
heraus |
Irgendwann sehe ich die ersten Gebetsfahnen, die
kurz unter dem Gipfel hängen. Wir umgehen einige größere Felsblöcke und dann ist
es geschafft - der Gipfel ist erreicht und ein 360° Panorama öffnet sich,
welches einem den Atem raubt. Ich kann mich an dem Ausblick nicht satt sehen und
mache viele Bilder. Das Wetter erlaubt uns, dass wir die Gipfelrast etwas
ausdehnen. Es ist verhältnismäßig warm und kein Lüftchen verdirbt uns die
verdiente Pause. Blickfang ist natürlich der
Mt. Everest, doch auch der Blick ins Tal auf Gokyo mit dem endlos wirkenden
Gletscher brennt sich mir ins Gedächtnis. Den Cho Oyo darf ich natürlich auch
nicht vergessen, wie auch den ...
Viel zu früh müssen wir wieder absteigen. Vorher
schießen wir natürlich noch das obligatorische Gruppenfoto. Gerne wäre ich noch
etwas auf dem Gipfel geblieben - zu eindrucksvoll ist der Ausblick. |
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Der Gipfel kommt näher... es wird noch einmal
steiler |
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Weit unten liegt Gokyo |
Blick in Richtung Cho Oyo |
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Panorama vom Gokyo Ri (Klicken zum Vergrößern) |
Wir waren etwas eine Stunde auf dem Gipfel. Die
starke Sonneneinstrahlung hat den meisten Schnee bereits wegtauen gelassen. Der
Abstieg ist somit etwas einfacher, was nicht heißt, dass es an einigen Stellen
etwas rutschig war. Auf halbem Weg nach unten machen
wir eine längere Pause. Trotzdem erreichen wir nach einer Stunde Gehzeit bereits wieder Gokyo. Ich esse eine
vegetarische Gemüsesuppe, trinke einen Kaffee und setze mich wenig später in
die Sonne und lasse die gefühlt schönste Wandertour meines Lebens und die beeindruckendste Aussicht noch einmal Revue passieren.
Der Tag ist noch früh, so dass ich kurz daran
überlege, noch zum 4. See zu laufen. Der Weg ist mir dann doch zu weit und ich
bleibe einfach an der Lodge sitzen. Die Höhenlage macht mich müde - außerdem
sind wir auch rechts früh aufgestiegen, so dass ich mich ins Zimmer zurück ziehe
und eine Runde schlafe. Ich döse etwas, doch richtig
tief fällt der Schlaf nicht aus.
Gegen 17:30 gehe ich in den Essensraum, der wie am
Vortag auch nicht sonderlich warm ist. Ich habe mir so etwas schon gedacht und
habe meine beiden langen Unterhosen sowie zwei Fleecepullis an. Ich sitze nahe
am Ofen und hier wird mir dann doch sehr schnell schön warm. Heute ist der
Gastraum auch sehr voll, was zusätzlich für Wärme sorgt.
Eine Entscheidung muss leider heute auch noch
getroffen werden. Eigentlich wollten wir über den Cho La in Richtung des Everest
Basecamp laufen. In den letzten Wochen hat es jedoch einiges an Schnee gegeben,
so dass bisher kein Wanderer erfolgreich den Pass passiert hat. Unser Guide
würde den Pass probieren, wenn wir unbedingt wollten. Mir persönlich war das
Risiko einfach zu hoch, zumal bei einem Umkehren nicht mehr genug Zeit gewesen
wäre, um noch zum Kalar Pattar und zum Everest Basecamp zu laufen. Beides möchte
ich mir nicht entgehen lassen, so dass mein Entschluss sehr schnell feststeht
und ich den Cho La nicht überqueren möchte. Auch alle anderen aus unserer Gruppe
entschließen sich, den Pass nicht zu überqueren, so dass wir weiterhin
gemeinschaftlich die komplette Tour unternehmen. Das
Abendessen (Pilzsuppe, Momos, Pommes, Reis und Gemüse) lässt auch nicht mehr
lange auf sich warten. Unser Guide mahnt uns, dass wir ausreichend Tee trinken.
Da dieser bzw. die Gläser wieder nach Kerosin riechen, trinke ich lieber ein
Bier... mein höchstes je getrunkenes und sicherlich auch eines der teuersten ;)
Ich zahle meine Rechnung (3400 RS für die Getränke und Mittagessen) und gehe
bereits gegen 20:30 Uhr ins Bett. Es ist wieder sehr kalt, so dass ich nicht
einschlafen kann. Erst als ich meine Fleecemütze anziehe, finde ich Ruhe. |
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Der Everest vom Gipfel des Gokyo Ri |
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Die Lodge bietet einen
– in einem separaten Gebäude liegenden – großen Aufenthaltsraum. In der Mitte
des Raums steht ein Ofen, der mit getrocknetem Jackdung geheizt wird. Entgegen
meiner Erwartung stinkt der Ofen nicht. Wir waren nur etwas verwundert, als
jemand aus der Küche kommt und den Ofen nachschürt. Einerseits saßen wir eh
schon im T-Shirt neben dem heißen Ofen, andererseits legte der den Jackdung mit
bloßen Händen in den Ofen. Passend dazu der Kommentar eines der Teilnehmer:
„Hoffentlich war das nicht der Koch...“ Wir haben jedoch Glück, dass ausreichend
Brennstoff zur Verfügung steht. Während Regenphasen ist das trocknen des
Yakdungs nicht möglich und dann muss auf den wärmenden Ofen verzichtet werden.
In diesem Fall werden unter den Tisch glühende Kohlen gelegt, so dass wenigstens
die Füße und Beine warm bleiben. |
Leichter Schneefall setzt ein |
Vor dem Essen unterhalten wir uns noch mit anderen Treckern. Eine
Frau kommt aus Australien, hat in Deutschland ein Semester studiert
und ist nun seit anderthalb Jahren unterwegs und schaut sich die
Welt an. Träume kommen auf…
Das Abendessen ist wieder einmal sehr lecker und sättigend. Es gibt
mit Jackkäse überbackene Maccaroni mit Tomatensauce und Pudding.
Sehr lecker und eine willkommene Abwechslung zu den vorangegangenen
Essen. Auch wenn ich mir vorgenommen hatte in Höhen über 4000 m
keinen Alkohol zu trinken, so gönnte ich mir ein letztes Bier vor
der Passüberschreitung.
Während wir die Wärme des Ofens genießen, setzt draußen ein leichter
Schneefall ein. Recht schnell bildet sich eine dünne Schneedecke.
Meine Turnschuhe werden dementsprechend nass als ich mich
entschließe in mein Zimmer zu gehen. Als ich mich abends in den
Schlafsack lege, hat es jedoch wieder aufgehört zu schneien. Nachts
muss ich mehrmals auf Toilette. Aufgrund der Kälte ist dies kein
Spaß und ich fluche jedes Mal innerlich wenn ich mich aus dem
halbwegs warmen Schlafsack schälen muss. Wenigstens hat es aufgehört
zu schneien denke ich mir als ich mich um 3 Uhr wieder in den
Schlafsack lege. |
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Höhenmeter Auf- / Abstieg |
850 m |
250 m |
Gehzeit |
4 - 6 h |
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